Donna Leon: Venezianisches Finale (1993)

Der dritte Gong tönte diskret durch die Foyers und Bars des Teatro Fenice und rief zum letzten Akt der Oper. Zigaretten wurden ausgedrückt, Gläser leer getrunken, Gespräche beendet, und langsam drängte das Publikum zurück ins Theater. Der zwischen den Akten hellerleuchtete Saal war erfüllt von gedämpftem Stimmengewirr. Hier blitzte ein Diamant, dort wurde auf nackter Schulter ein Nerzcape zurechtgerückt, da ein unsichtbares Stäubchen von einem Satinrevers geschnipst. Zuerst füllten sich die Ränge, dann das Parkett, zuletzt die drei Reihen der Logen.

So beginnt

Donna Leon: Venezianisches Finale; im Original: Death at La Fenice (1992) 

– übersetzt von Monika Elwenspoek

Um ein bisschen zu schmökern und herauszufinden, wieso Donna Leon mit ihren Commissario Brunetti-Romanen – vor allem in Deutschland – so erfolgreich ist, las ich vor ziemlich genau zwei Jahren den ersten Band.

Anlässlich des schönen Verrisses bei Sätze&Schätze habe ich meine Besprechung noch einmal hervorgekramt.

Zum Inhalt

Das Opern-Publikum wartet eines Abends also vergebens darauf, dass der deutsche Star-Dirigent Wellauer (mit dubioser Nazi-Vergangenheit) zurück auf sein Podium kommt. Man findet ihn tot in seiner Garderobe, vergiftet, wie sich rasch herausstellt.

Brunetti interviewt dann halt alle Beteiligten, möglichen Tatverdächtigen und Experten so vor sich hin und lässt ein paar familiäre Beziehungen spielen, um rascher an einige Informationen zu kommen.

Er macht sich so seine Gedanken über Venedig (überraschenderweise ist er der Ansicht, dass die Stadt mehr und mehr den Touristen gehöre), findet den Täter und wir können, wenn wir wollen, jeden seiner Gänge auf dem Stadtplan von Venedig verfolgen.

Fazit

Zugegeben: Leon greift in ihren Brunetti-Romanen immer wieder aktuelle Themen auf, doch leider rettet das gar nichts.

Ich habe zwar nicht das amerikanische Original gelesen, aber es kann nicht nur, wenn überhaupt, an der Übersetzung liegen, dass ich so enttäuscht war. Ich hatte einen klassischen, möglichst unbrutalen Whodunit erwartet, stattdessen Schnarch und Langeweile. Die Eindimensionalität der Personen ist perfekt gelungen.

Und die Schreibe ist dermaßen betulich, es ist unglaublich. Zum Beispiel kocht seine Frau irgendwann einen Tee:

Dann tapste er hinter ihr her in die Küche und setzte sich, während sie den Kessel mit Wasser füllte und auf den Herd stellte. Aus einem Hängeschränkchen holte sie eine Tüte mit getrockneten Blättern, machte sie auf und schnüffelte daran: ‚Eisenkraut?‘ […] Sie warf eine Handvoll Teeblätter in die Keramikkanne, die schon ihrer Großmutter gehört hatte. […] Aus dem Kessel schoß eine Dampfsäule, und Paola schüttete das Wasser in die angeschlagene Kanne. Wie immer empfand er schon ihre bloße Anwesenheit als wohltuend, und es wirkte beruhigend auf ihn, wenn er zusehen konnte, mit welch sicherer Gewandtheit sie sich bewegte und arbeitete. […] ‚Schon irgendeinen Anhaltspunkt?‘ fragte sie und stellte die Teekanne und zwei Becher auf den Tisch. Dann setzte sie sich ihm gegenüber, goß den aromatischen Tee ein, stand wieder auf und holte noch einen großen Topf Honig aus dem Schrank. (S. 63)

Später erfahren wir auch noch, dass er Honig in seinen Becher löffelt und sie in ihren Becher bläst,

um ihn abzukühlen. (S. 64)

Wow!

Hübsch fand ich auch folgende Stelle:

Auf dem Fußboden waren eingelegte Marmorfliesen in einem geometrischen Muster aus Wellen und Spiralen verlegt, wie er mit venezianisch geschultem Auge feststellte. (S. 104)

Vielleicht erscheinen Leons Romane deshalb nicht auf Italienisch, weil die Italiener sie sonst zurück nach Amerika schicken würden …

 

Autor: buchpost

- mein buchregal: schon lange ein gegengewicht zu beruf und engstirnigkeit - ziele: horizont weiten, mich vergnügen und das wichtige behalten

3 Kommentare zu „Donna Leon: Venezianisches Finale (1993)“

  1. Herrlich! Vielleicht sollten wir stellvertretend für die Italiener die Leons zurück in die USA schicken. Und wir stimmen überein, bis aufs Wort: Eindimensional. Das venezianisch geschulte Auge 🙂

  2. Liebe Anna,
    die ersten zwei, drei Leons fand ich damals in den 90er ja noch ganz nett, aber schnell wurden sie arg fad. Und das Fade, das hast Du ja super schön herausgemeißelt aus der Brunetti-Reihe: die Teezeremonie, das venezianische Fliesenmuster! Ach, sind Verrisse doch schön zu lesen, herrlich! Und ich frage mich ernsthaft, wer das nach 20 Jahren immer noch kauft und liest.
    Viele Grüße, Claudia

  3. Das wäre wirklich eine interessante Frage. Vielleicht hilft es manchen zu entspannen, gerade weil es so unaufregend vorhersehbar ist, so wie ich vielleicht zu Agatha Christie oder James Herriot greifen würde. Und für andere ist vielleicht das Italien-Flair ganz hübsch. Auch dir einen schönen Montag, Anna

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