Emma Healey: Elizabeth is missing (2014)

‚You know there was an old woman mugged around here?‘ Carla says, letting her long black ponytail snake over one shoulder. ‚Well, actually it was Weymouth, but it could have been here. So you see, you can’t be too careful. They found her with half her face smashed in.‘ This last bit is said in a hushed voice, but hearing isn’t one of my problems. I wish Carla wouldn’t tell me these things; they leave me with an uneasy feeling long after I’ve forgotten the stories themselves. I shudder and look out of the window.

So beginnt der Debütroman der 1985 geborenen Autorin

Emma Healey: Elizabeth is missing (2014)

Die deutsche Übersetzung Elizabeth wird vermisst von Rainer Schumacher erschien 2014. Die Autorin hat für dieses Buch den Costa Book Award in der Kategorie Debütroman gewonnen.

Zum Inhalt

Die verwitwete 82-jährige Maud, die uns ihre Geschichte erzählt, lebt zwar noch in ihrem eigenen Haus, doch so richtig gut läuft das nicht mehr, denn sie leidet an Demenz und vergisst schon mal zu trinken, den Gasherd abzustellen oder was sie nun eigentlich im Laden kaufen wollte.

Ihre Tochter und diverse Pflegekräfte tun, was sie können, doch oft weisen sie die alte Dame zurecht, sind genervt und überfordert. Und vor allem können sie die alte Leier nicht mehr hören, dass Elizabeth, die einzige gute Freundin Mauds, angeblich verschwunden sei. Doch Maud gibt nicht auf und versucht verzweifelt Hinweise auf den Verbleib Elizabeths zu finden, was nicht so einfach ist, wenn man nicht mal mehr weiß, wann man seine Freundin eigentlich das letzte Mal gesehen hat. Die Zettel, die sie sich selbst schreibt, sind auch nicht wirklich hilfreich, da sie nie weiß, welcher Zettel der aktuelle ist.

Die Suche nach Elizabeth löst immer wieder Assoziationen an die Vergangenheit aus, denn als Schülerin musste Maud miterleben, wie ihre ältere, frisch verheiratete Schwester Sukey über Nacht spurlos verschwand. Ein Trauma, das die Familie nie verwunden hat. Elizabeths Erinnerungen an früher sind – im Gegensatz zu den Erinnerungen an die letzte Stunde, die letzten Tage – glasklar. Und der Schmerz von damals ist sicherlich einer der Gründe, weshalb Maud sich mit dem Verschwinden Elizabeths nicht abfinden kann. Und so folgen wir Maud bei ihren mühsamen, manchmal skurrilen, manchmal traurigen Bemühungen, Licht ins Dunkel dieser zwei Vermisstenfälle zu bringen.

Fazit

Zwar wurde das Geheimnis der verschwundenen Freundin Elizabeth überstrapaziert, denn es blieb offen, weshalb die Lösung sich nicht auf einem der vielen Zettel finden sollte, die Maud doch dauernd schreibt, um Wichtiges nicht zu vergessen. Dadurch entstanden einige Längen, die vermeidbar gewesen wären.

Doch davon abgesehen, ist der Autorin ein spannender und berührender Roman gelungen. Spannend, weil ich wissen wollte, wo Elisabeth ist – auch wenn die Auflösung enttäuscht – und vor allem, was damals mit Sukey, Mauds Schwester, passiert ist.

Berührend, weil einer jungen Autorin gelingt, so einfühlsam und glaubwürdig aus Sicht einer verwirrten alten Dame zu schreiben, der die Orientierung in der Gegenwart allmählich abhanden kommt. Die sich einsam und unverstanden fühlt, deren Welt unübersichtlich und bedrohlich wird, denn was soll man von Menschen halten, die behaupten, sie seien die eigene Tochter oder Enkeltocher, dabei erkennt man sie manchmal gar nicht mehr.

Und vor allem zeigt es, dass die Welt und Denkweise eines dementen Menschen eine Welt ist, die vielleicht nur dem Außenstehenden unlogisch, chaotisch und verwirrt vorkommt. Und es zeigt, wie wichtig Geduld, Liebe, Humor, Würde und Fürsorge im Alter sind, auch wenn gerade das so schwierig zu gewährleisten ist…

Anmerkungen

Die englischen Verlage haben sich um die Rechte am Buch gerissen und in den wichtigen britischen Zeitungen erschienen Rezensionen. In Deutschland ging das Buch – veröffentlicht im Bastei Lübbe Verlag – anscheinend unter. Dabei halte ich es für wesentlich besser als Der Bibliothekar, der lieber dement war als zu Hause bei seiner Frau von Dimitri Verhulst, in dessen Roman ebenfalls eine (vorgespielte) Demenz eine tragende Rolle spielt.

Deutsche Besprechungen gibt es bei Leselebenszeichen und bei phelmas.com.

Hier einige englischsprachige Besprechungen:

Wer noch weitere Besprechungen sucht, wird auf der Homepage der Autorin fündig.

Autor: buchpost

- mein buchregal: schon lange ein gegengewicht zu beruf und engstirnigkeit - ziele: horizont weiten, mich vergnügen und das wichtige behalten

9 Kommentare zu „Emma Healey: Elizabeth is missing (2014)“

  1. Liebe Anna,
    „Elizabeth wird vermisst“ habe ich voriges Jahr gelesen und auch besprochen.
    Ich fand diesen Roman auch sehr BERÜHREND. Die intensive Nähe, welche die doch sehr JUNGE Autorin zu ihrer ALTEN Romanfigur herstellt, ist bemerkenswert! Man bekommt eine Ahnung von den Alzheimer-Bedingungen, die schmerzlich ist und zugleich Mitgefühl und Verständnis weckt.
    Wenn Du magst, kannst Du meine Rezension begutachten:
    https://leselebenszeichen.wordpress.com/2014/07/16/elizabeth-wird-vermisst/
    Ich glaube, daß die meisten Leser Berührungsängste mit dem Thema Alzheimer haben und, daß dies einer der Gründe dafür ist, warum dieses Buch zu Unrecht etwas untergegangen ist.

    Unvergeßliche Grüße 😉
    Ulrike von Leselebenszeichen

    1. Hallo Ulrike,
      vielen Dank für deinen Link, den werde ich gleich unter den Anmerkungen einfügen. Die Berührungsängste bei dem Thema mögen sicherlich eine Rolle dabei gespielt haben, dass das Buch hier ziemlich ignoriert wurde/wird, aber vielleicht ist es auch die Vermarktung, die Aufmachung, mögliche Bedenken gegenüber dem Bastei Lübbe Verlag… LG, Anna

      1. Liebe Anna,
        vielleicht liegt es auch einfach am büchermassigen Buchmarkt und an der Buchhandelsverkettung, die mit ihrer BestsellerMONOkultur auf Stapelware spekuliert und nicht auf individuelle LESEENTDECKUNGEN …
        Danke für Deinen Lesebesuch.
        Gutenachtgruß 🙂 Ulrike

    1. Yes, I enjoyed it, too, – apart from the disappointing bit about Elizabeths whereabouts -, perhaps because we perceive Maud as a person who hasn’t lost her dignity? And I really wanted to know what happened to Sukey.

  2. Das Buch erinnert mich sehr an den finnischen Roman „Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm“. Vielleicht wäre der auch was für dich?
    Das eine Café-Kette allerdings Buchpreise verteilt, mutet mir immer noch sehr komisch an. Ich glaube nicht, dass ich viel Hoffnung in ein Buch setzen würde, dass mit dem Starbucks Book Award ausgezeichnet wurde. 😀

    1. Hi, danke für die Erinnerung an „Der Tag, an dem…“. Nun, eine Cafe-Kette als Sponsor für einen Buchpreis klingt sicherlich auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig. Aber eigentlich ist es doch toll, dass da Gelder lockergemacht werden, und die Liste der Juroren setzt sich schließlich nicht aus dem Vorstand von Costa etc. zusammen, sondern aus renommierten Autoren. Also, das sehe ich ganz entspannt. Ein schönes Wochenende. Anna

  3. Ich habe das Buch als Hörbuch genossen und Katharina Thalbach als Sprecherin passte in dem Fall wirklich perfekt. Ein bisschen hätte man es kürzen können, mir sind auch ein paar Längen aufgefallen.
    Ein ebenfalls sehr gutes Buch zum Thema Demenz ist „Am Ende“ von Herrad Schenk. Hat schon einige Jahre auf dem Buckel und war auch nie ein Bestseller, erzählt aber ebenfalls aus der Sicht einer alten, dementen Frau.

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