Excellent Women, der zweite Roman der britischen Schriftstellerin Barbara Pym (1913 – 1980), war von Anfang an ein großer Erfolg, und zwar bei LeserInnen und KritikerInnen gleichermaßen. Pym wurde in eine Traditionslinie mit Jane Austen gestellt und die Journalistin F. Tennyson Jesse traf den Nagel auf den Kopf, als sie in einem Brief an Pyms Verleger schrieb:
It is very brilliant indeed to write about what most people would think were dull people and make them all absorbingly interesting. That is what she has achieved… It is beautifully done. (Zitiert nach: Paula Byrne: The Adventures of Barbara Pym, 2021, S. 423)
Und noch im Dezember 2015 wurde der Roman von 82 internationalen Literaturkritikern, Herausgebern und Literaturwissenschaftlern auf Platz 80 der 100 wichtigsten britischen Romane gewählt. Und das, obwohl zwischen 1961 und 1977 kein Verleger die Romane von Pym hatte veröffentlichen wollen. Die deutsche Ausgabe erscheint übrigens unter dem Titel Vortreffliche Frauen.
‚Ah, you ladies! Always on the spot when there’s something happening!‘ The voice belonged to Mr. Mallett, one of our churchwardens, and its roguish tones made me start guiltily, almost as if I had no right to be discovered outside my own front door.
Schon in den ersten Sätzen zeigt sich Pyms Kunst. Wir haben sofort eine Vorstellung von diesem jovialen Mr Mallett und freuen uns an den treffenden Formulierungen dieser unvergesslichen Ich-Erzählerin Mildred Lathbury, intelligent, witzig und mit einem illusionslosen Blick auf sich selbst und die Schwächen ihrer Mitmenschen. Die nehmen die ledige und deswegen ja von vornherein bemitleidenswerte Mildred als gegeben hin, interessieren sich keinen Deut für sie und bemerken deswegen auch nicht, was ihnen da entgeht.
I suppose an unmarried woman just over thirty, who lives alone and has no apparent ties, must expect to find herself involved or interested in other people’s business, and if she is also a clergyman’s daughter then one might really say that there is no hope for her. (S. 5)
Mildred lebt von einem kleinen elterlichen Erbe und kümmert sich morgens ehrenamtlich um verarmte „gentle women“. Nachmittags erledigt sie ihren kleinen Haushalt oder trifft ihre wenigen Freunde, z. B. Dora Caldicote, ihre alte Schulfreundin, die immer noch die Hoffnung hegt, dass Mildred eines Tages ihren Bruder William heiratet.
Und dann sind da noch die diversen Veranstaltungen der Kirchengemeinde, die Gottesdienste, Andachten und Wohltätigkeitsbasare, die vorbereitet werden müssen und eine ganze Schar von ehrenamtlich tätigen „vortrefflichen Frauen“ auf Trab halten, sei es, dass der Blumenschmuck in der Kirche oder der Tee-Ausschank organisiert werden muss. Ansonsten gehören noch Pfarrer Julian Malory, dessen Schwester Winifred ihm den Haushalt führt, und einige Mitglieder der Gemeinde zum engeren Umfeld Mildreds.
Mildreds geregeltes (Innen-)Leben gerät in Aufruhr, als sie die Napiers als neue Nachbarn bekommt, die die Wohnung unter ihr beziehen und mit denen sie sich das Bad im Treppenhaus teilen muss. Helena Napier ist inzwischen eher an einem ihrer Kollegen als an ihrem Mann Rockingham interessiert.
Und so wird Mildred zum Zeugen der Ehekrise der Napiers und zum Vertrauten der beiden. Sie ist viel zu feinfühlig, um die gedankenlose Herablassung Helenas nicht wahrzunehmen. Dennoch fällt sie nach außen nie aus der von ihr erwarteten Rolle der „excellent woman“.
‚Of course you’ve never been married,‘ she [Helena] said, putting me in my place among the rows of excellent women. […] ‚Thank you for the coffee, anyway, and a sympathetic hearing. I really ought to apologize for talking to you like this, but confession is supposed to be good for the soul.‘ I murmured something, but I did not think I had been particularly sympathetic and I certainly had not felt it …
Dass Rockingham so unglaublich charmant und gutaussehend ist und mehr als eine Tasse Tee bei ihr trinkt, macht die Sache für Mildred nicht einfacher.
Love was rather a terrible thing, I decided next morning, remembering the undercurrents of the evening before. Not perhaps my cup of tea. (S. 100)
Das Besondere an diesem Buch ist diese ganz eigene Erzählstimme mit ihrem rasiermesserscharfen Gespür für die Zwischentöne im menschlichen Miteinander, gepaart mit einer wunderbar spröden Selbstironie.
‚Now, Julian, we don’t want a sermon, ‚ said Winifred. ‚You know Mildred would never do anything wrong or foolish.‘ I reflected a little sadly that this was only too true and hoped I did not appear too much of that kind of person to others. Virtue is an excellent thing and we should all strive after it, but it can sometimes be a little depressing. (S. 44)
Zugegebenermaßen dürfte das Setting vielen von uns eher fern und fremd sein, doch die unsentimentale Art und Weise, mit der sich Mildred mit ihrem Ledigsein auseinandersetzt, ist zeitlos. Ihr Gedankenstrom, der oft parallel zu der äußeren Handlung abläuft, zeugt von einem unbestechlichen Blick auf die menschliche Natur und ist manchmal haarsträubend komisch.
When the first course came, it turned out to be spaghetti of a particularly long and rubbery kind. Rocky showed me how to twist it round my fork but I found it very difficult to manage and it made conversation quite impossible. Perhaps long spaghetti is the kind of thing that ought to be eaten quite alone with nobody to watch one’s struggles. Surely many a romance must have been nipped in the bud by sitting opposite somebody eating spaghetti? (S. 96)
Anmerkungen
Auch in diesem Roman gibt es eine Reihe autobiografischer Bezüge. 1942 hatte Barbara Pym Gordon Glover kennengelernt und sich in den attraktiven Mann ihrer Freundin verliebt, doch dank Barbaras unglücklichem Händchen, sich immer in gediegene Womanizer zu verlieben, endete auch diese Liebe nach nur zwei Monaten mit Glovers Schlussstrich. Pym litt sehr darunter und brauchte über neun Monate, um neue Lebensfreude zu finden.
I have got to realize that it is no longer anything to do with me what Gordon does. Although it is a month since I saw him, there are an endless number of months to be got through – a long dreary stretch until it doesn’t matter any more. And heaven knows how many that will be. (Barbara Pym: A Very Private Eye: An Autobiography in Letters and Diaries, 1984, S. 159)
Hier geht’s lang zu der Besprechung Very Barbara Pym von Alexander McCall Smith im Guardian. Er fand die richtigen Worte, als er schrieb:
And ‚Excellent Women‘ transcends its particular historical setting, as do all of the Pym novels, because it says something about human aspirations that is as true today as it was when it was written: we all have our hopes; we are all, to an extent, and unless we are very lucky, unfulfilled in some parts of our life; we would all like things to be just a little bit better for us.
Sad to say that I was not aware of this authoress. Thanks for bringing her to my attention (and for the follow 🙂 )
Oh, it is never to late to start reading Barbara Pym, on the contrary, it is nice to discover her (I came to her only a couple of years ago 🙂