Das Dorf Moonfleet liegt eine halbe Meile von der See am rechten oder westlichen Ufer des Bächleins Fleet. Dieses Rinnsal fließt so schmal an den Häusern vorbei, dass ich von guten Weitspringern gehört habe, die es ohne die Hilfe eines Stabes überwunden haben, verbreitert sich unterhalb des Dorfes in die Salzmarschen hinein und verliert sich schließlich in einem Brackwasserteich. […] Von der offenen See ist er durch einen riesigen, breiten Kieselstrand oder Damm getrennt, auf den ich später noch zurückkommen werde. Als ich noch ein Kind war, glaubte ich, dieser Ort werde Moonfleet genannt, weil in ruhigen Nächten, gleich ob im Sommer oder in der Winterkälte, der Mond so hell auf die Lagune schien. Später erfuhr ich dann, dass der Name nur eine Abkürzung für Mohunefleet war, von den Mohunes her, einer bedeutenden Familie, die früher einmal über die ganze Gegend herrschte.
So beginnt der Abenteuerroman des englischen Geschäftsmannes und Autors
John Meade Falkner: Moonfleet (1898)
Das Buch wurde von Michael Kleeberg ins Deutsche übersetzt und erschien 2016 im liebeskind Verlag.
Zum Inhalt
Die Geschichte nimmt 1757 ihren Ausgang im beschaulichen Moonfleet an der südenglischen Küste von Dorset, das auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat.
Heute lebten keine zweihundert Seelen mehr in Moonfleet, aber dennoch zerstreuten sich die Häuser, in denen sie wohnten, trist über eine halbe Meile hin, in großen Abständen zu beiden Seiten der Straße. Nichts im Dorfe wurde jemals erneuert, benötigte eines der Häuser dringend Reparaturen, riss man es gleich ab, und so gab es entlang der Straße viele Zahnlücken und überwucherte Gärten mit verfallenen Mauern, und viele der Häuser, die noch standen, wirkten so, als würden sie nicht mehr allzu lange bestehen. (S. 7)
Die Menschen leben vom Fischfang und vom Schmuggel mit Frankreich. Sie erzählen einander wilde Räuberpistolen und schaurige Legenden. Und besonders John Trenchard, ein 15-jähriger Waisenjunge, träumt davon, den sagenumwobenen und mit einem Fluch belegten Diamanten des Colonel Mahone zu finden, der vor 100 Jahren verstorben und in der Gruft unterhalb der Kirche bestattet ist.
Eines Tages überwirft sich John mit seiner lieblosen Tante und zieht zu seinem väterlichen Freund Elzevir Block, der in Moonfleet die Kneipe betreibt.
Doch spätestens, als Maskew, der von allen gehasste Friedensrichter mit der wunderhübschen Tochter Grace, den Schmugglern im Ort den Krieg erklärt und bei einer Razzia ohne Not Elzevirs Sohn David erschießt, ist es mit der Idylle vorbei.
Und ist ein Schiff einmal auf Grund gelaufen, dann kennt die See kein Erbarmen, denn der Grund fällt steil ab und die Wellen brechen sich auf den Kieseln mit einem Gewicht, dem kein Balken standhält. Versuchen die armen Teufel aber, sich zu retten, dann geraten sie in eine tödliche Unterströmung des Wassers, ein Zurückfluten der Wellen, das sie von den Beinen holt und wieder unter die donnernden Brecher zieht. Es ist dieses Schlürfen der Kiesel in der Rückströmung, das man noch meilenweit im Hinterland hören kann, bis Dorchester, in stillen Nächten und lange nachdem die Winde, die es hervorriefen, sich gelegt haben, und dann drehen sich die Leute in ihren Betten auf die andere Seite und danken dem lieben Gott, dass sie nicht am Strande von Moonfleet gegen die Wellen ankämpfen müssen. (S. 26/27)
Fazit
Und so erzählt uns John, der seinen Freund Elzevir mehr als einmal in lebensgefährliche Situationen bringt, nun eine Abenteuer- und Schatzsuchergeschichte mit viel Lokalkolorit, mit spannenden und manchmal arg konstruierten Wendungen, brutaler Zwangsarbeit, hohem Wellengang und einer geradezu übermenschlichen Freundschaft. Dass der Held dabei vom Jungen zum Mann heranreift und auch eine märchenhafte Liebe, die aller Unbill trotzt, nicht fehlen darf, versteht sich von selbst.
Mein Junge, die Männer, die ich gekannt habe, haben ihr Leben für alles Mögliche aufs Spiel gesetzt: für Gold, für die Liebe, aus Hass, aber keiner von ihnen hätte den Tod am Bart gezaust, um einen Baum, einen Wasserlauf oder einen Stein wiederzusehen. Und wenn ein Mann sagt, er liebe ein Haus oder eine Stadt, dann kannst du sicher sein, dass es nicht der Ort ist, den er liebt, sondern jemand, der dort lebt. Oder aber er hat dort früher einmal jemanden geliebt und möchte jetzt den Ort wiedersehen, um schöne Erinnerungen wachzurufen. Wenn du also von Moonfleet sprichst, denke ich mir, dass du dort jemanden wiedersehen möchtest, oder hoffst, dass es geschehe. (S. 217)
Eine kurzweilige und leicht bekömmliche Mischung aus Herr-der-Ringe, Tom Saywer, Robinson Crusoe und der Schatzinsel, die mir vor ca. 40 Jahren vermutlich noch besser gefallen hätte.
Das Buch wurde übrigens nicht nur verfilmt, sondern diente auch Chris de Burgh als Inspiration für sein Album Moonfleet & other stories (2010) …
Klingt nach einem Flutschbuch 😀
Ja, das ist es auch, für kleine Entdecker vielleicht irgendwann ideal, für ältere LeserInnen dann doch nicht so richtig nahrhaft, so wie ein alter Hollywoodfilm 🙂 LG, Anna
Ach, hin und wieder ist das auch mal schön 😀