Durch die deutsche Neuauflage von Die letzte Analyse im Dörlemann Verlag bin ich überhaupt erst aufmerksam auf dieses Krimi-Schätzchen aus den Sechzigern geworden. Was für ein Glück. Dabei konnte man die Bände um die resolute Literaturprofessorin Kate Fansler schon vor über 20 Jahren in Deutschland erstehen.
Der ursprüngliche deutsche Titel des ersten Bandes lautete Gefährliche Praxis. Ansonsten wurde die Übersetzung von Monika Blaich (*1942) und Klaus Kamberger (*1940) vom Dörlemann Verlag beibehalten. Meine Besprechung bezieht sich allerdings auf die englische Neuausgabe von 2018.
Kurz zum Inhalt:
Die ältere Studentin Janet Harrison fragt Professorin Kate Fansler, ob diese ihr einen guten Therapeuten empfehlen könne. Und so kommt es, dass Janet eine Psychoanalse bei Emanuel Bauer beginnt, einem anerkannten Analytiker und sehr guten Freund von Kate. Die beiden waren auch mal ein Liebespaar, aber das ist lange her.
They had been lovers for a time – they had no one but themselves to consider – yet this had been far from central to their mutual need. After that first year, they would no more have considered making love than of opening a mink ranch together […] (S. 46)
Wenige Wochen später wird nun jene Studentin ermordet aufgefunden, auf der Analysecouch Emanuels. Erstochen mit einem Messer aus Bauers Küche. Sonnenklar, dass Kate alles in ihrer Macht Stehende unternehmen muss, um Emanuel, seine entzückend planlos schwatzende Frau Nicola und schließlich sogar sich selbst von dem ungeheuerlichen Verdacht reinzuwaschen, die junge Frau getötet zu haben. Dabei spannt sie ihren guten Bekannten Reed Amhearst, seines Zeichens Staatsanwalt mit besten Kontakten zur Polizei, und Jerry, den jungen und äußerst abenteuerlustigen Verlobten ihrer Nichte, ein.
Mag Kate die Idee zur Klärung des Falls auch etwas unmotiviert aus heiterem Himmel überkommen, war mir das dann schon völlig egal, weil man bis dahin so viel Spaß am intelligenten und literarischen Schlagabtausch der Beteiligten hatte und Kate und ihre Freunde schon längst ins KrimileserInnenherz geschlossen hat.
‚I don’t think this case is helping your disposition – you’re beginning to sound petulant. What you need is a vacation.‘ (S. 119)
Dass das Buch mit seiner emanzipierten und belesenen Protagonistin dabei ein bisschen Retro-Charme versprüht und gleichzeitig zeitlose Kritik an der Bürokratisierung des Universitätsbetriebs und Einblicke in die menschlichen Natur liefert, macht die Lektüre umso lohnender.
‚Oh, dear, I keep forgetting about the police. Are they getting restive?‘ (S. 96)
Oder wie Andrea Gerk feststellt: „Screwball Comedy mit Mehrwert“.
Ich jedenfalls habe die nächsten Bände schon geordert.
Die Autorin Carolyn Gold Heilbrun (1926 – 2003), eine feministische, amerikanische Literaturprofessorin an der Columbia University in New York, legte sich für ihre 15 Bände um Kate Fansler das Pseudonym Amanda Cross zu, um ihr Renommee als Literaturwissenschaftlerin nicht zu gefährden. Ihre Krimis waren unglaublich erfolgreich und wurden weltweit übersetzt. Ihr erster Band kam in der Kategorie „Bestes Debüt“ sofort auf die Shortlist für den Edgar Award.
Mit 77 beging sie Suizid, da sie nach Aussage ihres Sohnes sicher war, die Reise sei vorüber, ihr Leben habe sich erfüllt, aber nicht weil sie erkrankt oder depressiv gewesen sei. Dazu passt der längere Essay A Death of One’s Own von New York.
Die Krimis waren schon eine Weile auf meiner gedanklichen Merkliste. Wenn Du diese jetzt so positiv besprichst, wandern sie auf meiner Wunschliste gleich noch einmal weiter nach oben. Screwball und Retre-Charme klingt für mich sehr vielversprechend. Danke für die schöne Besprechung!
Das freut mich natürlich. Mein Leseverhalten ist recht planlos und ich hätte es wirklich schade gefunden, wäre ich nicht zufällig auf die deutsche Neuausgabe gestoßen. (Ich weiß, dass ich nichts schade finden kann, von dem ich gar nichts wusste, aber du weißt, was ich meine 🙂 )
Bin also gespannt, ob Amanda Cross Teil der Bowle werden wird!
Den Namen Amanda Cross habe ich gehört, doch war damit keinerlei Wissen verbunden. Danke, daß Du diese Lücke etwas gefüllt hast, liebe Anna. Diese Reihe hört sich sehr lesenswert an.
Nun, ich schmökere mich gerade durch den zweiten Band. Ebenfalls sehr unterhaltsam. Ich freue mich, die Reihe entdeckt zu haben, und bin gespannt, was ich in einigen Wochen als Fazit ziehe. Dir viel Freude beim Fotografieren und Lesen. LG Anna
Ich hoffe die Reihe wird Dich weiterhin gut unterhalten!
Ich warte schon auf Band 3 …
Ja, es ist immer etwas störend, lange auf den nächsten Band warten zu müssen. Ich habe mir die ersten acht Bände auf Englisch in einer Neuauflage von 2018 bestellt. 😎 Und frage mich auch schon, wo ich die restlichen Bände herbekomme… Deinen Worten entnehme ich, dass auch Band 2 dir wieder gut gefallen hat. Das literarische Geplänkel der Professorinnen war ja hübsch, auch wenn man zwischendurch fast vergessen konnte, dass es um die Aufklärung eines Mordes ging. Viel Freude mit der nächsten Lektüre.
Ich könnte mir theoretisch die DTV-Ausgaben aus der Bibliothek holen. Aber die sind schon arg zerfleddert … Und tatsächlich fand ich den ersten Band etwas besser. Aber der Kate/Reed-Kosmos ist schon klasse …
Liebe Anna,
Ich habe die „letzte Analyse“ auch gerade gelesen und bin ebenfalls sehr begeistert von der engagierten Professorin, die es sich nicht nehmen lässt, dem doch offensichtlichen Fall eine ganz andere Wendung zu geben. Und die Hinweise, die sich zur Psychoanalyse, zu New York und zur Uni (wo eine Maschine namens IBM die Organisation übernommen zu haben scheint :-)) lesen lassen, sind einfach aus der zeitlichen Distanz sehr unterhaltsam. Ich werde dann zügig zu Fall 2 greifen.
Viele Grüße, Claudia
Hallo Claudia,
da können wir ja bald einen gepflegten Kate Fansler-Fanclub eröffnen. 🙂
Im zweiten Band fliegen einem die literarischen Anspielungen dann nur so um die Ohren, und die Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau an der Universität ist wieder interessant. Kämpfe mich gerade durch den Beginn des dritten Bandes, den ich bis jetzt aber sehr zerrissen und unrund finde.
Viele Grüße
Anna