Fiona McFarlane: The Night Guest (2013)

Ruth woke at four in the morning and her blurry brain said, „Tiger.“ That was natural; she was dreaming. But there were noises in the house, and as she woke she heard them. They came across the hallway from the lounge room. Something large was rubbing against Ruth’s couch and television and, she suspected, the wheat-coloured recliner disguised as a wingback chair. Other sounds followed: the panting of a large animal; a vibrancy of breath that suggested enormity and intent; definite mammalian noises, definitely feline, as if her cats had grown in size and were sniffing for food with huge noses.

So beginnt der Debütroman der Australierin

Fiona McFarlane: The Night Guest (2013)

Der Roman schaffte es auf Anhieb auf die Shortlist des renommierten Miles Franklin Award für 2014 und wurde unter dem Titel Nachts, wenn der Tiger kommt von Brigitte Walitzek ins Deutsche übersetzt.

Zum Inhalt

Die 75-jährige Witwerin Ruth lebt allein mit ihren Katzen in ihrem Haus am Meer in New South Wales an der australischen Ostküste. Die erwachsenen Söhne leben im Ausland. Sie befürchtet nicht nur, nachts von einem Tiger heimgesucht zu werden, sondern bekommt einige Tage später auch sehr realen Besuch.

Frida Young erklärt, von der Regierung geschickt worden zu sein. Sie solle Ruth als Haushaltshilfe/Pflegekraft ein wenig unter die Arme greifen. Und bald schon ist Ruth, der die Altersgebrechen wie ein schmerzender Rücken oder Vergesslichkeit tatsächlich zu schaffen machen, völlig von Frida abhängig.

Die liebenswerte alte Dame erinnert sich an ihre Kindheit, ihre Ehe und ihre erste große Liebe Richard, der sie sogar einmal besucht. Die beiden alten Menschen verbringen ein schönes Wochenende miteinander.

He was looking back at her in a confidential way. If she’d been told, at nineteen, that it would take over fifty years to have him look at her like this, she would have been disgusted and heartbroken; now she was only a little sad, and it was both bearable and lovely. She brushed Richard’s arm with her hand. (S. 105)

Dem Leser ist rasch klar, dass Frida ihre eigenen Geheimnisse mit ins Haus gebracht hat, und Ruth ist zunehmend den Launen der undurchschaubaren Frida ausgeliefert, die mit den Ängsten, der Gebrechlichkeit und der Verwirrtheit der alten Frau ihr eigenes Spiel spielt.

Fazit

Vermutlich ist das Buch wirklich gut geschrieben, aber mir kam irgendwann die notwendige Distanz abhanden, um das überhaupt beurteilen zu können. Die Sprache, die Schilderungen aus der Sicht Ruths, der allmählich die Koordinaten für die Alltagsbewältigung abhanden kommen, dazu die sich langsam steigernde Spannung, das zunehmende Grauen. Ich war so mitgenommen davon, wie jemand die Hilfsbedürftigkeit eines alten und alleinstehenden Menschen ausnutzt, dass ich es schlicht nicht ertragen habe, es wirklich zu Ende zu lesen. Das letzte Drittel habe ich nur noch quergelesen.

Anmerkungen

Hier zwei Artikel aus dem Guardian:

Und das sagen die andern:

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Lukas Bärfuss: Koala (2014)

Man hatte mich in meine Heimatstadt geladen, damit ich einen Vortrag über einen deutschen Dichter halte, der zweihundert Jahre früher, an einem Tag im November, am Wannsee in Berlin eine Mulde gesucht und danach seiner Freundin Henriette Vogel ins Herz und schließlich sich selbst eine Kugel in den Rachen geschossen hatte.

Mit diesem Satz beginnt das Buch des bekannten Schweizer Dramatikers, das 2014 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis stand. Ein großes Dankeschön an Claudia vom Grauen Sofa und an den Wallstein Verlag, die mir ein Exemplar zur Verfügung stellten.

Der Inhalt ist rasch umrissen: Ungefähr sechs Monate nach der Lesung in seiner Heimatstadt erhält der Ich-Erzähler die Nachricht, dass sich sein Halbbruder umgebracht habe. Zu Lebzeiten des Bruders war der Kontakt zwischen den Brüdern – beide längst erwachsene Männer – bestenfalls sporadisch.

Wir hatten selten Gelegenheit, uns zu sehen; mein Bruder bewegte sich kaum aus jener Stadt heraus, die ich dreiundzwanzig Jahre früher nicht ganz freiwillig verlassen und seither gemieden hatte. Wir führten verschiedene Leben, außer der Mutter und einigen nicht ausschließlich angenehmen Kindheits- und Jugenderinnerungen teilten wir wenig, und gewöhnlich reichten uns zwei Stunden, um der still empfundenen Verpflichtung, sich als Brüder nicht ganz aus den Augen zu verlieren, Genüge zu tun. (S. 6)

Durch den Selbstmord – mit einer Überdosis Heroin – wird der Bruder auf einmal zum Thema im Leben des Erzählers, wie er es vorher wohl nie gewesen war. Das ist zunächst auch ein Ärgernis.

Man wurde mit einem Selbstmörder nicht fertig, niemals. Daran entzündete sich mein Zorn, ich war wütend, dass ich mich nicht mit den Kindern an den Gämsen erfreuen konnte, die hoch oben von Fels zu Fels sprangen, sondern stets von neuem in den Mahlgang der Gedanken gezwungen wurde. (S. 25)

Der Ich-Erzähler hofft, mit anderen ins Gespräch zu kommen, die auf ähnliche Weise einen Menschen verloren haben, dabei trifft er allerdings eher auf betretenes Schweigen. Auch der Blick in die Literatur hilft ihm bei der Suche nach den Gründen nicht weiter. Er kann im Suizid seines Bruders keinen heroischen Akt erkennen, in dem sich der freie Wille ausdrücke, sondern sieht darin zunächst eine Niederlage, ein Scheitern auf ganzer Linie.

Also begibt er sich selbst auf eine Art Spurensuche, die führt jedoch nicht, wie man vielleicht zunächst vermuten könnte, über Gespräche mit Freunden oder Familienmitgliedern des Verstorbenen oder über dessen frühere Heroinsucht, sondern über die Annäherung an den Spitznamen des Bruders, sein Totem, das ihm als Kind während einer – zumindest imaginiert der Ich-Erzähler das so – Angst einflößenden Initiationszeremonie bei den Pfadfindern zugesprochen wurde, dem Koala.

Und so spielen über 70 der insgesamt 182 Seiten gar nicht in der Schweiz. Stattdessen erleben wir im Zeitraffer die Unabhängigkeitsbestrebungen Amerikas, die Kolonialisierung Australiens und seine brutalen und energischen Anfänge als Sträflingskolonie mit, bis der Koala von den Weißen entdeckt und schließlich fast ausgerottet wird.

Ich mochte die klare, präzise Sprache, allerdings weniger den Manierismus, Orte und Menschen nicht zu benennen. Der Bruder bleibt namenlos, genauso wie Thun, die Heimatstadt der Brüder, der Dichter Kleist oder die Band, deren Lied bei der Trauerfeier gespielt wird.

Nicht nur inhaltlich, auch sprachlich zerfällt das Buch. Der erste Teil, der sich mit den nur spärlich erläuterten Lebensumständen des Bruders und den Reaktionen, Erinnerungen und Deutungsversuchen des Erzählers beschäftigt, wirkt unterkühlt, fast teilnahmslos, berichtartig. Zwar heißt es, dass schon der Besuch in der alten Heimat dazu führe, dass die Sätze verklumpen und man alles vermeide, „was geschmeidig, anmutig oder gebildet erscheinen könnte.“ (S. 18) Doch warum muss der Leser das ausbaden?

Der rasante Ritt durch die bitteren Anfänge der Besiedlung Australiens durch die Engländer, bei dem wir in vielerlei Schicksale kurz, aber intensiv hineinblicken, hingegen war mitreißend prägnant formuliert. Selbst kurze Szenen wirkten lebendiger als die in der Gegenwart angesiedelte Handlungs- bzw. Reflexionsebene. Bärfuss hat für diesen geschichtlichen Part gründlich recherchiert und z. B. Tagebuchaufzeichnungen des Ralph Clark verwendet.

Doch die inhaltlichen Fäden, die diese beiden Teile miteinander verband, die fand ich zu dünn, nicht belastbar genug. Der Ich-Erzähler bleibt für mich den Nachweis schuldig, dass der Selbstmord seines Bruders sich mit der Metapher des Beuteltieres erklären lässt. Trotz der Parallelen, die er meint gefunden zu haben, z. B. in der Provokation, die die Verkörperung der Faulheit und die Abwesenheit jeglichen Ehrgeizes für den normalen Menschen darstelle.

Es leuchtet ein, wie wenig dieses Tier sich bewegen kann und dass es seinem Baum verbunden bleiben muss, weil das Material, mit dem es seinen Organismus in Gang zu halten versucht, Dreck ist. Mit dieser Nahrung lassen sich keine großen Sprünge machen, das Tier muss sesshaft und ruhig bleiben, den Metabolismus bis an die Grenzen des Stupors drosseln. (S. 158)

Der Tod des Halbbruders wird mit einer Bedeutung aufgeladen, die er vielleicht gar nicht hatte. Sie wird einfach behauptet. Kein Wort dazu, warum der Bruder früher heroinabhängig war oder seit wann er clean war. Die Brüder-Beziehung war problematisch. Die Schuld daran gibt der Erzähler vor allem seinem Bruder, der eben schwierig gewesen sei. Letztlich konnte er dessen Lebensentwurf – so denn von einem gesprochen werden kann – nie akzeptieren und regt sich noch nach dessen Tod auf, dass er von ihm einen wertlosen Haufen alter Comics geerbt hat.

Seinen Geschmack hielt er für unfehlbar, er gab vor, sich stets für das Beste zu entscheiden, was lächerlich und peinlich war, weil er sich nicht einmal das Zweit- oder Drittbeste leisten konnte. Seine Comics pflegte er mit einer Sorgfalt, als wären es nicht Billighefte vom Bahnhofskiosk, sondern Inkunabeln. […] Ausgerechnet die hatte er mir vermacht, eine schwere Kiste alberner Bildergeschichten, die einen höchstens schlichten Geschmack bewiesen. (S. 40)

Ich fand es unbefriedigend, dass der Erzähler die Möglichkeit, andere dem Bruder nahestehenden Menschen zuzuhören, so rasch verworfen hat. Da hat er sich die Spurensuche vielleicht doch ein bisschen einfach gemacht.

Natürlich hätte ich mich an seine Freunde, seine Familie wenden können, aber warum sollten sie sich nicht auch in den Anekdoten verlieren und beschönigende Erinnerungen kolportieren […] Ich hielt es nicht für möglich, dass jemand ehrlich mit sich war, aber ich machte niemandem einen Vorwurf. Jeder versuchte, sich von der Schuld zu entlasten, um weiterleben zu können. (S. 54)

War der Erzähler zunächst der Meinung, dass keine Moral aus dem Selbstmord des Bruders zu ziehen sei, so ändert sich das im Laufe der Geschichte. Ein bisschen verquast heißt es dann:

Ich fand einen Begriff für jenes Gefühl, das mich seit dem Tod des Bruders gefangen hielt, und ich nannte das Gefühl Einsamkeit. Ich fand sie bald in allem, nicht nur im Leben des Bruders, in jedem Leben, in meinem eigenen, in den Leben, die ich teilte und betrachtete. Ich erkannte in der Einsamkeit den Preis und die Strafe, ich sah, wie diese Einsamkeit zunahm unter meinen Freunden. Ich erkannte darin die Krankheit meiner Zeit, die Ursache des Unglücks, das jeder, der ein offenes Herz hatte, empfinden musste. Am Ende war jeder allein, das spürte ich, und ein Ende gab es alle Tage. (S. 37)

Später betrachtet der Erzähler den Selbstmord von einer gesellschaftskritischen Warte:

Die gängigen Tugenden, nach denen auch ich lebte, Fleiß, Strebsamkeit, Ehrgeiz, bewahrten jedenfalls nicht vor dem Unausweichlichen. […] wenn ich mir die Welt ansah, die durch diese Taten geformt war, dann fand ich nicht viele Argumente, die für den Ehrgeiz und den Fleiß sprachen, und ich konnte nicht ausschließen, dass diese Welt friedlicher gewesen wäre, wenn sich mehr Menschen an die Prinzipien meines Bruders gehalten hätten. Wenn sie sich berauscht und ohne Ambition ihre Tage hätten verstreichen lassen, für sich nur das Nötigste in Anspruch genommen hätten, einen Besitz, dessen Auflistung auf anderthalb Seiten Platz fand und in einer guten Stunde unter den Freunden verteilt war. (S. 55)

Ja, am Schluss wächst sich das Buch zu einer Deutung dessen aus, weshalb Arbeit in unserer Gesellschaft einen so hohen Stellenwert genießt. Doch am Ende weiß ich immer noch zu wenig über den namenlosen Bruder, der hier weniger als eigenständige Person wichtig ist, sondern eher als Grund herhalten muss, über den gesellschaftlichen Zusammenhang von Angst, Arbeit, Fleiß und Faulheit nachzudenken. Und allen Selbstmördern wird die Aufgabe der Gesellschaftskritik quasi im Nachhinein auferlegt.

Die Medizin gegen die Angst war der Fleiß. […] Die Arbeit war keine Strafe mehr, sie war zur einzigen Tätigkeit geworden. Die Faulheit wurde ausgelöscht und vergessen, ihre Geschichten, ihre Segnungen, ihre Blüten, ihre Verse und Lieder. […] Der Mensch hatte die Welt zu einem Arbeitsplatz gemacht. (S. 168)

Der Erzähler hingegen hat seine Antwort auf die Frage gefunden, „weshalb man es scheute, über den Selbstmord zu reden.“ Aber auch diese Antwort wird einfach behauptet, geglaubt habe ich ihr nicht.

Anmerkungen

Hier geht’s lang zur Besprechung von Sophie auf ihrem Blog Literaturen und das sagt Birgit von Sätze&Schätze.

Roman Bucheli formulierte in seiner Besprechung in der NZZ einen eher zwiespältigen Eindruck, während Ina Hartwig ihrem Unmut in der ZEIT freien Lauf ließ: „Zwischendrin verliert der englische König den Verstand – und der Leser den Überblick.“

Jens Bisky bemängelt in der Süddeutschen Zeitung vom 24. April besonders den dritten Teil des Werks, das er ohnehin nicht als Roman anerkennt:

Eine kulturkritische Sonntagspredigt zerstört das schöne Schweben zwischen Natur- und Zivilisationsgeschichte, bietet ein paar verrostete Schlüssel, um den Sinn der Episoden zu erschließen, obwohl der Autor doch weiß, dass all die Augenblicke keinen Sinn, keine Moral bereithalten.

Don Charlwood: All the Green Year (1965)

The year I remember best from those days is 1929. This was the year I turned fourteen and went into the eighth grade; the year too that Grandfather McDonald became peculiar  and we moved to live with him in his house on the cliffs. It has stayed in my memory for various reasons, but chiefly for its fiasco at its end. I feel tempted to claim that each incident played its part in leading to our final disgrace, but this would hardly be true. The matter of riding to school on Perry Brothers‘ camel, for instance, had no link with later happenings at all, nor did Squid’s hypnotism, nor even, I suppose, the preservation of Eileen Johnston’s honour.

Mit diesen Sätzen beginnt das lesenswerte Buch All the Green Year (1965) des Australiers Don Charlwood (1915 – 2012).

Der Ich-Erzähler, der Jugendliche Charlie Reeve, lebt mit seiner Familie und dem Hund Gyp auf der Halbinsel Mornington im Städtchen Kananook südlich von Melbourne. Die Geschichte spielt 1929, dem Jahr, in dem Charlie 14 wird und seine Familie kurzfristig zu seinem Großvater in dessen altes und zugiges Haus auf den Klippen ziehen muss, da der alte Mann allmählich dement wird und nicht länger allein wohnen kann.

Charlie ist weder besonders abenteuerlustig noch rebelliert er. Er ist eher ein Tagträumer und versucht sich so gut wie möglich den Gegebenheiten anzupassen. Doch gerade dadurch gerät er immer wieder in schräge, komische und todtraurige Situationen.

Als „typischer“ Junge ist er auch nicht besonders redselig. Mit seinem Freund Fred Johnston, genannt Johnno, versteht er sich ohne viele Worte, stattdessen verbringen sie wie selbstverständlich die Schulpausen zusammen und gehen gemeinsam schwimmen. Für Mädchen hat Charlie noch nicht viel übrig und so ist er wenig begeistert, als Johnno ihn bittet, ihn auf einen Ball zu begleiten.

‚I’ve got to go to a dance,‘ he told me.
‚Why?‘ It was hard to imagine anything more distasteful.
‚My old man says I have to take Eileen. It’s at the Mechanics‘ next Wednesday.‘
I said, ‚She’s older than you are, why can’t she take herself?‘
‚I don’t know,‘ he said, shaking his head. ‚It’s got to do with her – her honour.‘
‚Her what?‘
‚Her honour.‘
This was something I had never heard mentioned outside poetry books. (S. 40)

Der Ball endet für die beiden in einer handfesten Prügelei und mit einer tief beleidigten Schwester. Und die Szene, in der Charlie sich eher unfreiwillig auf einem Kamel wiederfindet, ist zum Quietschen komisch, jedenfalls für die Leser, für Charlie wohl weniger.

This journey through the town was one of the most depressing events of my childhood. Several tradespeople began pursuing us on foot, and the camel, by some fearful instinct, headed towards the school… (S. 76)

Erst im Rückblick erkennt der gereifte Erzähler, dass dieses Jahr auch seine komischen Momente hatte. Überhaupt ist Charlie ein lakonischer Erzähler, der mit genauem Blick die Tücken des Erwachsenwerdens benennt, sie aber als schicksalsgegeben hinnimmt. Was sollte man sonst auch tun?

I heard my father’s voice droning on. It occured to me that the worst of parents was the misery they caused by worrying about the future. Why were they like this? Why did they have families if it was all worry? I would never get married, that was certain. Imagine being tied to a woman forever, and  for ever worrying about money. (S. 26)

Charlie bekommt mehr mit, als den Erwachsenen lieb sein dürfte. Als eine erbschleicherische Tante ankommt, registriert er genau, wie seine Eltern reagieren.

‚It’s you, Ruby,‘ exclaimed my mother. ‚This is a surprise!‘
I heard my father murmur, ‚It’s a damn‘ shock.‘ (S. 84)

Der Nachbarsjunge mit dem Spitznamen Squid sorgt ebenfalls mit schöner Regelmäßigkeit und Überzeugungskraft dafür, dass Charlie sich in blöden Situationen wiederfindet, für die er auch noch die Schuld bekommt, denn Squid ist viel gerissener als er und außerdem noch der Liebling des Lehrers Moloney.

Überhaupt der Lehrer Moloney. Er gehört zu den grauenhaftesten Lehrergestalten, die mir bisher in der Literatur begegnet sind. Sadistisch, verblendet und voller Begeisterung dabei, wenn er seine Lieblingsopfer demütigen kann.

Er trägt auch die Schuld daran, dass die Geschichte allmählich mehr wird als „nur“ eine herrlich geschriebene Kindheitserinnerung. Er läutet letztlich für Charlie und seinen Freund Johnno das Ende der Kindheit ein, und zwar mit dramatischen Folgen.

I couldn’t answer. In my ears was the crunching of Moloney’s glasses, a sound I can hear yet. To think of it and of the next twenty-four hours is to be a boy again. (S. 207)

Fazit

Grandios, wie hier die Atmosphäre einer Kindheit eingefangen wird. Mit ihren Schönheiten, dem Zusammenhalt echter Freunde, der Natur, den Abenteuern. Mit ihren witzigen und schrägen Augenblicken.

Mit ihren Gefahren, ihrem Schrecken, ihrer Hilflosigkeit und ihrer Einsamkeit, wenn man zwar ein „intaktes“ Elternhaus hat, aber im Grunde einem doch keiner zuhört, wenn es darauf ankäme, ja geradezu lebenswichtig wäre.

Gehört unbedingt übersetzt.

Anmerkungen

Diese Buchvorstellung wäre unvollständig ohne ein großes „Thank you, Kim“.

Kim Forrester hatte auf ihrem Blog Reading Matters den Imprint Text Classics vorgestellt, der sich zum Ziel gesetzt hat, australische Literaturschätze zu bewahren und in einer ansprechenden Taschenbuchausgabe neu auf den Markt zu bringen. Um den Verlag bekannter zu machen, durfte man sich ein Buch auf der Webseite des Verlags aussuchen, das Kim dann für den fröhlichen Gewinner bestellen würde. Und: Wie schön, kurze Zeit später erhielt ich eine nette Mail mit der Gewinnbenachrichtigung. Und was soll ich sagen, aus diesem Verlag sind bereits drei weitere Bücher hier eingezogen und diverse stehen noch auf der Wunschliste.

Hier findet man einen informativen Nachruf auf Don Charlwood von Michael McGirr.