Nachdem schon The Book of Forgotten Authors von Christopher Fowler (1953 – 2023) eine so vergnügliche Lektüre war, war ich gespannt auf Fowlers preisgekrönte Kriminalromane um die beiden Londoner Sonderermittler Arthur Bryant und John May. Der erste Band Full Dark House erschien 2003, der letzte Band London Bridge is falling down kam 2021 heraus.
Full Dark House beginnt mit einem Paukenschlag.
It was really a hell of a blast. The explosion occurred at daybreak on the second Tuesday morning of September, its shock waves rippling through the beer-stained streets of Mornington Crescent. It dentonated car alarms, hurled house bricks across the street, blew a chimney stack forty feet into the sky, ruptured the eardrums of several tramps, denuded over two dozen pigeons, catapulted a surprised ginger tom through the window of a kebab shop and fired several roofing tiles into the forehead of the Pope, who was featuring on a poster for condoms opposite the tube station. (S. 11)
Die Explosion hat die Diensträume der Peculiar Crime Unit – spezialisiert auf äußerst merkwürdige Verbrechen, die die reguläre Polizei nicht mal mit der Feuerzange anpacken würde – pulverisiert, das Tragische dabei ist, dass Arthur Bryant, mit über 80 der dienstälteste Ermittler der Unit, sich noch im Gebäude befunden hatte, und so findet einige Tage später seine Beerdigung statt. Sein überlebender Partner John May, nur drei Jahre jünger als grumpy Arthur, sieht nur eine Möglichkeit, mit der Trauer um seinen Kollegen weiterleben zu können. Er muss herausfinden, wer seinen übellaunigen, für allerlei Esoterisches offenen und stets frierenden Partner umgebracht hat.
Es verdichten sich die Hinweise, dass die Spuren bis zurück in den Zweiten Weltkrieg führen. Während des Blitz, als London 1940 und 1941 von der deutschen Luftwaffe bombardiert wurde, lösen der 19-jährige John und der 22-jährige Arthur ihren ersten gemeinsamen Fall. Eine Reihe seltsamer Todesfälle gefährdet die unfassbar teure Aufführung der Oper Orpheus in the Underworld im Palace Theatre, die die Moral der kriegszermürbten Londoner heben soll.
Und so wechselt die Geschichte zwischen dem immer neue Haken schlagenden Fall, der inzwischen 60 Jahre zurückliegt, und der Gegenwart, in der John den Mord an seinem Freund und Kollegen klären muss.
Sind Zeitsprünge oft nicht mehr als ein nervtötendes Mittel, mit dem künstlich Spannung erzeugt werden soll, war das hier nicht der Fall: In beiden Zeitebenen verfolgt man die Geschehnisse quasi mit angehaltenem Atem. Unbedingt will man wissen, wie es weitergeht, und zwar egal, in welchem Jahr man sich gerade befindet.
Das Zweite, was diesen Krimi auszeichnet, ist die gelungene Einbettung in die zwei Zeitebenen. Hier hat einer zum Blitz und zum London der Kriegsjahre und auch zum Theater recherchiert und die Informationen in die Handlung verwoben. Man erfährt also einiges und wird vermutlich mit neuem Interesse das ein oder andere noch mal nachlesen, beispielsweise zum Palace Theatre, bei dem ich am liebsten sofort eine Führung hinter den Kulissen buchen würde.
Der zweite Band der Reihe The Water Room greift ebenfalls Londoner Stadtgeschichte auf, indem die inzwischen leider nicht mehr zugänglichen bzw. übertunnelten und zubetonierten Flüsse Londons eine wesentliche Rolle spielen.
Die beiden Detektive, die die Handlung tragen, sind eigenständig genug gezeichnet, um an ihnen auch als Personen Anteil zu nehmen. Und wo bitte hat man schon mal gehört, dass die Protagonisten des ersten Bands einer Krimireihe um die 80 Jahre alt sind? Dadurch können sowohl die Transformationsprozesse, die London durchgemacht hat, als auch die Probleme der zwei Männer beim Älterwerden mit in den Blick genommen werden.
Fazit: Die ersten beiden Bände um die beiden alten Herren, die sich gerne kabbeln und selten einer Meinung sind, sehr, sehr gern gelesen.
Der dritte Band war dann allerdings eine herbe Enttäuschung, er enthielt viel zu viele Personen, Klischees und zusammengestümperte Charakterzeichnungen. Das Buch war stellenweise nicht nur unglaublich brutal, sondern ärgerte mich zusätzlich durch dermaßen an den Haaren herbeigezogene Handlungselemente, die vermutlich eher zu Fowlers Vergangenheit als Schreiber von Horrorgeschichten passen, sodass ich, was diese Krimireihe angeht, doch erst einmal pausiere …
Fowler hat übrigens auch einen Blog betrieben. Hier die Sätze seines letzten Eintrags:
It’s very hard to write now without falling asleep or forgetting what I was going to say. If there’s something I really need to get out I’ll put it on Twitter. So you might want to check your old @peculiar feed once in a while. All fun things have to come to an end. I love you all. Except for that horrible old troll – are there any other kind?
There, now you have a smidgen of extra time on your hands, go have fun.
…and read a book.