Helge Timmerberg: In 80 Tagen um die Welt (2008)

Die Welt ist rund und kunterbunt, aber hin und wieder auch ungesund. Schon mal mit `nem Heißluftballon geflogen? Sie lösen die Leinen, und das Ding geht nach oben wie ein Fahrstuhl. Ab fünf Meter Höhe beginnt die Höhenangst, ab fünfzig Meter die helle Panik. Der Korb, in dessen Rand ich meine Hände kralle, vermittelte die Sicherheit eines fliegenden Katzenklos. Vom Wind verweht und schockerstarrt, hoffte ich schwer, daß der Herr Pilot wußte, was er tat.

So beginnt

Helge Timmerberg: In 80 Tagen um die Welt (2008)

Zum Inhalt

Timmerberg, 1952 in einem kleinen Dorf in Nordhessen geboren, hat sich mehr oder weniger auf die Spuren des Phileas Fogg aus Jules Vernes Roman In achtzig Tagen um die Welt begeben und beglückt uns nun mit seinen Reiseimpressionen.

Fazit

Warum er das tut, weiß ich bis jetzt, Seite 84, noch nicht. Ich meine, ich weiß weder, warum er diese Reise unternimmt noch warum ich das lesen soll.

Zugegeben: Er schreibt in einer wirklich flotten und entstaubten Sprache.

Das für mich Interessante an diesem Buch waren nicht seine Reiseeindrücke, sondern sein Nachsinnen über das Älterwerden, das für ihn untrennbar mit seiner Haltung zum Reisen verknüpft ist, z. B. als er feststellt, dass er all die Flausen und Träumereien, mit denen er als junger Mann auf Tour gegangen ist, verloren hat.

Mir sind die Träume ausgegangen, von denen der Typ damals noch jede Menge hatte, tausendundeinen in jeder Tasche. (S. 58-59)

Das zieht sich dann als loser Faden der Sinnsuche durch das Buch. Er merkt, dass sich das Versprechen, das sich für ihn mit dem Reisen verbunden hat, nicht länger einlösen lässt.

‘Yesterday, all my trouble seemed so far away‘ – wenn ich auf Reisen war und keine Grenzen sah. Kein Ende von Raum und Zeit. Unendlich viele Straßen führten in die Unendlichkeit. Und das waren die Werte: Neu war gut, alt war schlecht. Bewegung bringt Heil. Eigentlich zu einfach. Eigentlich ein Kinderleben. Aber schön. […] Das Leben war ein Reiseroman. Wenn ich reiste, las ich ihn. Vierundzwanzig Seiten pro Tag. Er handelte von Liebe, Geld und Tod am Wegesrand. Vom Suchen und Finden, vom Weitergehen. Und überall wartete eine Berührung. Ein Lachen. Ein göttlicher Hauch. […] Ich träumte im Kreis. Vorbei. Das Spiel ist aus. Eine einfache Wahrheit hat Schluß damit gemacht. Reise ist Leben. Und Leben ist Leiden. Es macht keinen Unterschied. Gehen oder bleiben. (S. 185)

Der Traum, daß Reisen die Hintertür des Schicksals ist. Der Notausgang. Und eigentlich die Lösung für jedes Problem. Jetzt löst Reisen gar nichts mehr. Warum auch? Was hat Reisen mit dem Lösen von Problemen zu tun? (S. 205)

Das kennen bestimmt viele, die gern unterwegs sind: dass man während des Reisens vielleicht leichter und eher zu den Momenten gelangt, an denen man ganz gegenwärtig ist, der Sinn schon da ist und man sich nicht im banalen und anstrengenden Alltagskrimskrams verstrickt und verheddert.

Und ich habe einen neuen Begriff kennengelernt. Timmerberg sei einer der deutschsprachigen Vertreter des Gonzo-Journalismus: “Gonzo journalism is a style of journalism that is written without claims of objectivity, often including the reporter as part of the story via a first-person narrative. The word „gonzo“ is believed to be first used in 1970 to describe an article by Hunter S. Thomson, who later popularized the style. […] Gonzo journalism tends to favor style over fact to achieve accuracy–if accuracy is in fact meant to be achieved at all–and often uses personal experiences and emotions to provide context for the topic or event being covered. It disregards the „polished“, edited product favored by newspaper media and strives for a more gritty, personable approach–the personality of a piece is just as important as the event the piece is on. Use of quotations, sarcasm, humor, exaggeration, and profanity is common.” (Wikipedia)

Passend dazu empfehle ich den Artikel zu Hunter S. Thompson auf Sätze&Schätze.