Der deutsche Journalist und Autor Hasnain Kazim muss sich wie viele andere, die in der Öffentlichkeit präsent sind und deren Namen nicht nach Müllermeierschulze klingen, immer wieder mit Hassmails befassen, die Drohungen, Pöbeleien und Gewaltfantasien enthalten, die ja heutzutage blitzschnell und ohne dass man noch in Briefmarken oder Umschläge investieren müsste, versandt werden können.
Einer seiner Wege, sich dagegen zu positionieren, ist, den Briefschreibern zu antworten, sie in ein Gespräch einzuladen, aufzuklären, sich aber auch abzugrenzen, wenn ein Austausch gänzlich hoffnungslos ist. Eine Reihe dieser Mailwechsel hat er in seinem Buch mit dem hübschen Titel Post von Karlheinz: Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte veröffentlicht.
Ich ziehe meinen Hut vor Kazims Ironie, seiner Schlagfertigkeit, seiner Geduld und vor seiner Weigerung, in gleicher Münze heimzuzahlen. Der Weigerung, sich verbittern zu lassen, zurückzuhassen.
Ich habe losgeprustet, wenn er die wildesten und idiotischsten Beleidigungen so ins Absurde gesteigert hat – ja, er komme gern am Wochenende mit kompletter Großfamilie mal vorbei, sie seien ohnehin in der Gegend und sie würden auch die Ziegen zur Schächtung mitbringen, dann könne ihm der Briefeschreiber mal zeigen, was ein richtiger Deutscher sei – und mich gefreut, wenn er doch noch jemanden auf die Ebene halbwegs zivilisierter Umgangsformen zurückverfrachten konnte. Auch die ein oder andere Hilfestellung für eigene Argumentationen ließe sich dem Buch entnehmen. Daneben gibt es auch ernsthafte und höfliche Leserzuschriften, die von ihm freundlich und ausführlich beantwortet werden.
Doch vor allem war ich nach der Lektüre dieses durchaus unterhaltsamen Buches verstört. Ich hatte das Gefühl, eine Bodenplatte tut sich auf, darunter krabbelt und tobt das, was eine Gesellschaft nachhaltig gefährden kann.
Wie kann es sein, dass manche Menschen ernsthaft glauben, mit ihren Pöbeleien, ihrem Rassismus, ihrer Ignoranz und Langeweile, ihrer miesen Kinderstube, ihrer völligen Überschätzung der eigenen Befindlichkeiten und dem Weltbild eines Grottenolms anderen ungestraft auf die Nerven fallen zu dürfen?
Und wie kann es sein, dass es inzwischen Richter gibt, die solcherlei Komplettentgleisungen (siehe Renate Künast) noch als Meinungsäußerung deklarieren, die Personen, deren Arbeit öffentlich sichtbar ist, halt zu akzeptieren haben?
Oder dass eine Anzeige sofort gegenstandslos wird, wenn der Beschuldigte treuherzig versichert, dass nicht er die Mails geschrieben habe, schließlich habe der halbe Ort Zugang zu seinem Rechner.
In seinem einleitenden Kapitel Vom Umgang mit Hass im Posteingang schreibt er zu der Floskel, dass man auch den Brüllern und Hetzern mit Respekt begegnen solle:
Ich soll Leuten mit Respekt begegnen, die mich ‚in die Gaskammer!!!‘ wünschen? […] Und was soll, bitte schön, ‚auf Augenhöhe‘ heißen? Soll ich mich auf den Bauch legen, um mit diesen Leuten ‚auf Augenhöhe‘ zu reden? Diese, bei allem Respekt, dämlichen, jedenfalls unbeholfenen Ratschläge geben mir mehr zu denken als die meisten Beleidigungen und Drohungen. Ich empfinde dieses achselzuckende Zuschauen, solche ‚Na, damit musst du halt klarkommen‘-Positionen als dröhnendes Schweigen. […] Mir macht Angst, dass Leute inzwischen in entspanntem Ton darüber philosophieren, wie man mit Rechten reden sollte. Aber diejenigen, die solche intellektuellen Fingerübungen ausprobieren, sind Leute, die durch die Rechten in keinerlei Weise bedroht sind, schon gar nicht existenziell. (S. 17/18)
Kazims Buch mahnt an, dass Menschen Verantwortung für ihre Worte haben und dass es an der Zeit ist, den einen oder die andere an diese Verantwortung nachdrücklich zu erinnern.