Auch dieses Jahr möchte ich mich an den Fragen entlanghangeln, die ursprünglich Katrin von Buchsaiten ins Spiel gebracht hat, um das Lesejahr abzuschließen. Dabei lasse ich einige Fragen weg, andere sind hinzugekommen.
Welches war das optisch ansprechendste Buch?
Das war ohne Frage das Kopfkissenbuch der japanischen Hofdame Sei Shōnagon, entstanden um 1000; und zwar in der Übersetzung von Michael Stein aus dem Manesse Verlag.
Welches Buch hat dich enttäuscht?
Diese Auszeichnung geht an Nathaniel Hawthornes Klassiker Das Haus mit den sieben Giebeln.
Welches war deine persönliche Autoren-Neuentdeckung in diesem Jahr und warum?
Eine Neu-Entdeckung ist für mich jede Autorin, jeder Autor, deren/dessen Buch mir so gut gefallen hat, dass ich mich auf weitere Bücher einlassen würde. Das war in diesem Jahr unter anderem Dorothy Whipple, von der ich gleich drei Romane gelesen habe.
Gab es Entdeckungen im Krimi-Bereich?
Ich staune immer wieder, wie viel es im Bereich des Cozy Crime aus dem letzten Jahrhundert noch zu entdecken gibt. Besonders gern habe ich dieses Jahr The Draycott Murder Mystery (1928) von Molly Thynne gelesen. Allein schon diese Einleitung:
The wind swept down the crooked main street of the little village of Keys with a shriek that made those fortunate inhabitants who had nothing to tempt them from their warm firesides draw their chairs closer and speculated as to the number of trees that would be found blown on the morrow.
Aber Absent in the Spring (1944) von Agatha Christie war auch großes Kino.
Welcher Einstiegssatz hat sofort funktioniert?
After two miles of walking he came to a town.
Da hatte mich Walter Tevis mit seinem The Man Who Fell to Earth sofort am Haken. Schuld daran war übrigens The Binge Reader.
Gab es lohnende Bücher, die raus aus deiner Lesekomfortzone führten?
Nun, Hillbilly-Elegie von J. D. Vance und Der Spaziergänger von Aleppo von Niroz Malik gehören vermutlich dazu.
Auch dement von Lioba Happel habe ich gern gelesen.
Welche Bücher haben den tiefsten Eindruck hinterlassen?
Beschäftigt hat mich Zeithain von Michael Roes (2017).
Aber besonders bewegt haben mich Der Sinn des Lesens (2015) von Pieter Steinz und Das Haus, das Glück und der Tod (1998) von Herrad Schenk.
Doch am deutlichsten vor Augen geführt, warum wir (auch) lesen, hat mir sicherlich das unvergleichliche The Return von Hisham Matar, das inzwischen auch auf Deutsch erschienen ist.
Welches Buch willst du unbedingt 2018 lesen und warum?
Von Kai habe ich vor Jahren den schönen Begriff “sprunghafter Lustleser” gelernt; also, ich weiß noch nicht einmal, was ich nächste Woche lesen werde, geschweige denn nächstes Jahr.
Aber der Vorsatz, meine Buchkaufgeschwindigkeit massiv zu drosseln, hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren, denn es sind immer noch keine Anbaumaßnahmen geplant.
Außerdem ist es Zeit, sich dem Phänomen zu stellen, dass es manchmal reizvoller zu sein scheint, Bücher zu kaufen, als diejenigen auch zu lesen, die bereits hier rumstehen.
Welche Bücher wären spurlos an dir vorbei gegangen, wenn nicht andere BloggerInnen dich darauf aufmerksam gemacht hätten?
Über diese Frage möchte ich auch dieses Jahr einen besonders großen Mantel des Schweigens breiten, denn fast alle meine Anregungen stammen inzwischen von anderen LiteraturbloggerInnen.
Mit welcher Lektüre beschließt du das Lesejahr 2017?
Das kann zum Zeitpunkt des Schreibens noch nicht abschließend geklärt werden.
Als vorletztes las ich jedenfalls Thrones, Dominations (1998). Jill Paton Walsh hat mit dem Buch fast 60 Jahre später einen von Dorothy Sayers begonnenen Kriminalroman um Lord Peter Wimsey fertiggestellt. Aber auch wenn die Grundidee interessant ist, fehlt dem Buch eine innere Balance. In den ersten hundert Seiten werden uns die Protagonisten vorgestellt, während die eigentliche Auflösung dann wiederum nur eine halbe Seite beansprucht. Insgesamt kommt es ein wenig schwerfällig daher.
Beendet habe ich gerade die Biografie zu Theodor Storm von Jochen Missfeldt. Ein Pageturner war Du graue Stadt am Meer für mich jetzt nicht. Zwischendurch passte der Stil des Autors nicht unbedingt zum Stoff. Aber geradezu minutiös recherchiert. Zum Glück war Storm ein eifriger Briefeschreiber. Und es ist toll, dass Missfeldt häufig zitiert, man hört vieles quasi aus erster Hand. Als Vater und Ehemann möchte man Storm allerdings nicht geschenkt haben.
Interessant schon der zeitgeschichtliche Hintergrund um die Auseinandersetzung zwischen Dänemark und Preußen, der die Storms ins Exil trieb, und natürlich die vielen Freundschaften mit Dichterkollegen, die aber auch nie völlig unproblematisch verliefen. Jedenfalls ist es nun Zeit, mal wieder den Schimmelreiter und Novellen von Storm aus dem Regal zu holen. Und Gottfried Keller und Fontane gleich mit.
Allen einen behüteten Jahreswechsel, Gesundheit und ein gutes neues Jahr.
Und natürlich immer genügend Bücher anbei.